For English version please scroll down
Eine jüdische Bauernschule im Rheinland 1946-47
„Es wurde vorgeschlagen, das Schloss Laach, ehemaliger Besitz der von Papen, instand zu setzen. Es soll als Unterkunft für 50 Umschüler dienen, die auf den benachbarten Bauernhöfen ausgebildet werden“, notierte ein Mitarbeiter der Jewish Relief Unit (JRU), einer jüdisch-britischen Hilfsorganisation, nach einem Besuch des Landgutes im Juli 1946. Zu der um 1910 im niederländischen Barockstil erbauten Villa gehörten umfangreiche Ländereien. 1936 erbte der ehemalige Reichskanzler Freiherr von Papen die landwirtschaftlichen Flächen; die Villa, das sogenannte Schloss, wurde 1940 von den Städten Monheim, Langenfeld sowie dem Landkreis erworben und an den Reichsarbeitsdienst vermietete.
Schon im Mai 1946 hatte sich die „United Nations Relief and Rehabilitation Administration“ (UNRRA) dafür ausgesprochen, Schloss Laach zu requirieren, um dort eine Ausbildungsstätte für Holocaust-Überlebende einzurichten. Die internationale Hilfsorganisation betreute befreite KZ-Häftlinge, ehemalige Zwangsarbeiter oder sonstige von den Nationalsozialisten verschleppte und entwurzelte Menschen und brachte sie in Auffanglager unter – Displaced Persons (DPs) Camps genannt. Rechtliche Grundlage war das Alliierten-Gesetz Nr. 52, „Blocking and Control of Property“, nach dem Immobilien, die sich zuvor in nationalsozialistischem Besitz befanden, von der Militärregierung beschlagnahmt werden können. Diese Häuser, Bauernhöfe oder Kasernenkomplexe wurden dann der UNRRA übergeben. Bekannt sind die großen Camps in der amerikanischen Besatzungszone, wie etwa Feldafing, Zeilsheim oder Föhrenwald, in denen jeweils Tausende Überlebende des Holocaust untergebracht waren. Doch auch in der britischen Zone sind solche jüdischen Einrichtungen etwa in Bergen-Belsen, Bocholt oder Kaunitz nachweisbar.
Daneben existierten zahlreiche Trainingskibbuzim, jüdische Bauernschulen, in denen Holocaust-Überlebende auf ihre Zukunft im noch zu errichtenden Staat Israel vorbereitet wurden. Die bekannteste Trainingsfarm war sicher der „Kibbuz Nili“ auf dem Streicher-Hof in Mittelfranken, dem Anwesen des ehemaligen Gauleiters und Nürnberger Herausgebers des antisemitischen Hetzblattes „Der Stürmer“.
Eine solche landwirtschaftliche Ausbildungsstätte, der „Kibbuz Hapoel Hamisrachi“, befand sich vom November 1946 bis Frühjahr 1947 auch auf Schloss Laach. Dabei handelte es sich um eine religiöse-zionistische Gemeinschaft, die nach den Vorschriften von Thora und Talmud lebte. Dazu gehörte auch die Verpflegung mit koscherem Essen – eine Herausforderung, die von den Hilfsorganisationen nur unter größter Mühe zu gewährleisten war. Die ersten angehenden Bauern stammten aus dem DP-Camp Bergen-Belsen, dem mit bis zu 10.000 Bewohnern größten jüdischen Auffanglager im besetzten Westdeutschland. „Wir haben in dieser Woche eine jüdische DP-Trainings-Farm auf Schloss Laach bei Langenfeld eröffnet“, meldete der örtliche JRU-Vertreter am 15. November 1946 voller Freude.
Bei ihrer Ankunft auf Schloss Laach erwartete die Menschen jedoch ein völlig desolates Gebäude: „Die meisten Zimmer im Haus sind noch ohne Fenster, die Temperatur im Wohnzimmer war unter dem Gefrierpunkt, die Kücheneinrichtung war schmutzig. Bis auf einen Wasserhahn im Keller gibt es kein fließendes Wasser im Haus und Waschgelegenheiten sind nicht vorhanden“, berichtet ein JRU-Mitarbeiter im Winter 1946/47. Noch im März 1947 waren die Bauernschüler mit „Reparaturarbeiten an dem stark beschädigten Haus“ beschäftigt. „Dies wird noch durch den Mangel an Material und Werkzeugen erheblich erschwert“, schrieb der Leiter des Kibbuz, Ruwen Abelson. Dennoch versuchte die jüdische Gemeinschaft gemäß ihrem am Kollektiv ausgerichteten Ideal zu leben und sich auf ihre Zukunft im kommenden Israel vorzubereiten. Man lernte Hebräisch, informierte sich über die sozialen und politischen Gegebenheiten in der neuen Heimat und praktizierte die lange Zeit verbotene Religion.
Eine praktische Arbeit in der Landwirtschaft konnte aufgrund der Wintermonate nicht oder nur rudimentär durchgeführt werden. Doch die Verantwortlichen fanden eine Alternative: „Es ist uns gelungen, einige Auszubildende in Werkstätten in den Nachbardörfern unterzubringen, so dass sie sich dort eine gewisse Fertigkeit in fachspezifischen Berufen aneignen können. Sie werden natürlich zu ihrer eigentlichen landwirtschaftlichen Arbeit zurückkehren“, betonte Ruwen Abelson, „sobald dies wieder möglich ist.“
Obwohl ursprünglich bis zu 50 Bauernschüler auf Schloss Laach ausgebildet werden sollten, gehörten dem „Kibbuz Hapeol Hamisrachi“ nur rund 20 Personen an. Das ist sicher den schwierigen und unzureichenden Bedingungen vor Ort zuzuschreiben. Die Einrichtung bestand offensichtlich nur wenige Monate – der letzte schriftliche Nachweis ist ein Report des Leiters vom 13. März 1947. Möglicherweise hatten die Kibbuzniks Glück und gehörten zu den wenigen, die mit Erlaubnis der britischen Regierung Einwanderungszertifikate für das Gelobte Land erhalten hatten. Großbritannien war zu dieser Zeit noch Mandatsmacht für Palästina. Die Formalitäten für die Übersiedlung wurden im „Palestine Transit Camp“ in Bocholt erledigt. Danach ging es nach Marseille, wo am 4. April 1947 die „Providence“ mit rund 400 Holocaust-Überlebenden Kurs auf Haifa setzte.
Die kurze Geschichte des Kibbuz auf Schloss Laach ist im örtlichen Gedächtnis nicht verwurzelt. Das Stadtarchiv Monheim besitzt keine Unterlagen und auf der Homepage des heutigen Eigentümers heißt es: „Unmittelbar nach Kriegsende hatten alliierte Truppen das Schloss kurze Zeit annektiert und dort ein Lazarett eingerichtet. Danach wurden hier einige Zeit erholungsbedürftige Bergleute untergebracht.“ Laut Meldung der Rheinischen Post vom 23. August 1947 wurde das Schloss jedoch „vom NRW Sozialministerium gepachtet, um dort nach der „Renovierung wahrscheinlich ein Blindenheim“ einzurichten. – (jgt)
The Kibbutz at Laach Castle (Monheim)
A Jewish farming school in the Rhineland 1946-47
„It has been proposed that Schloss (Castle) Laach, former property of the von Papens, be renovated. It is to serve as accommodation for 50 retrainees being trained on neighbouring farms,“ noted an employee of the Jewish Relief Unit (JRU), a Jewish-British aid organisation, following a visit to the estate in July 1946. The villa, built around 1910 in the Dutch Baroque style, had extensive land belonging to it. In 1936, the former Reich Chancellor Baron von Papen inherited the agricultural land; the villa, the so-called castle, was acquired in 1940 by the cities of Monheim and Langenfeld as well as the administrative district, and leased to the Reich Labour Service.
As early as May 1946, the United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA) had advocated requisitioning Schloss Laach to set up a training centre for Holocaust survivors. The international relief organisation took care of liberated concentration camp prisoners, former forced labourers or other people abducted and uprooted by the Nazis and placed them in reception camps – called Displaced Persons (DPs) Camps. The legal basis for this was Allied Law No. 52, „Blocking and Control of Property,“ under which real estate previously owned by Nazis could be seized by the military government. These houses, farms or barracks were then turned over to UNRRA. The large camps in the American occupation zone, such as Feldafing, Zeilsheim or Föhrenwald, each of which housed thousands of Holocaust survivors, are well-known. But there is also evidence of such Jewish institutions in the British zone, for example in Bergen-Belsen, Bocholt or Kaunitz.
In addition, there were numerous training kibbutzim, Jewish farming schools where Holocaust survivors were being prepared for their future in the state of Israel, which was yet to be established. The best-known training farm was without a doubt „Kibbutz Nili“ located on the Streicher farm in Middle Franconia; this was the estate of the former Gauleiter and Nuremberg editor of the anti-Semitic smearsheet „Der Stürmer.“
Such an agricultural training centre, the „Kibbutz Hapoel Hamizrachi,“ was located at Schloss Laach from November 1946 to spring 1947. This was a religious Zionist community that lived according to the rules of the Torah and Talmud. This also meant the provision of kosher food – a very difficult challenge for the relief organisations. The first prospective farmers came from the Bergen-Belsen DP camp, the largest Jewish reception camp in occupied West Germany, with up to 10,000 residents. „We opened a Jewish DP training farm at Schloss Laach near Langenfeld this week,“ the pleased local JRU representative reported on November 15, 1946.
Upon their arrival at Schloss Laach, however, a completely desolate building awaited the people: „Most of the rooms in the house are still without windows, the temperature in the living room was below freezing, the kitchen equipment was dirty. Apart from a water tap in the basement, there is no running water in the house and washing facilities are non-existent,“ reported a JRU employee in the winter of 1946/47. Even as late as March 1947, the farming students were still busy with „repair work on the badly damaged house. This is still greatly hampered by the lack of materials and tools,“ wrote the head of the kibbutz, Ruwen Abelson. Nevertheless, the Jewish community tried to live according to its collective-oriented ideals as they prepared themselves for life in the future Israel. They learned Hebrew, about the social and political conditions in their new homeland, and practiced the religion that had long been forbidden.
The winter months meant that practical farming work could not be carried out, or only in a rudimentary fashion. But those in charge decided upon an alternative plan of action: “We have managed to put some trainees in workshops in neighbouring villages, so that they can acquire various skills in specialised trades there. They will, of course, return to their actual farming work as soon as this is possible again“, Ruwen Abelson emphasised.
Although originally up to 50 student farmers were to be trained at Schloss Laach, there were only about 20 people at the „Kibbutz Hapeol Hamizrachi”. This can certainly be attributed to the difficult and inadequate conditions on site. The institution seems to have existed for only a few months – the last written record is a report by the director dated March 13, 1947. It is possible that the kibbutzniks were fortunate and were among the few who received immigration certificates for the Promised Land with the permission of the British government. Britain was still the Mandatory Power for Palestine at that time. The transfer formalities were dealt with at the „Palestine Transit Camp“ in Bocholt. Then it was on to Marseille, where on April 4, 1947, the „Providence“ set course for Haifa with about 400 Holocaust survivors on board.
The brief history of the kibbutz at Schloss Laach is not firmly rooted in local memory. The Monheim municipal archives have no records and the homepage of the current owner states: „Immediately after the end of the war, Allied troops annexed the castle for a short period of time and set up a military hospital there. After that, miners in need of recuperation were housed here for some time.“ According to the Rheinische Post of August 23, 1947, however, the castle was „leased by the NRW Ministry of Social Affairs, to set up a home there, in all likelihood for the blind, after renovation.” – (Translation: CB)
Quellen | References
Archive | Archives
- Stadtarchiv Monheim am Rhein
- Wiener Library, London
- Yad Tabenkin Archives, Ramat Efal
Literatur | Literature
- –
Lexikoneintrag | Lexicon entry
Laach (Monheim) Kibbuz Hapoel Hamisrachi (Hachschara) | Kibbutz Hapoel Hamisrachi (Hachsharah)
Letzte Aktualisierung: 13.12.2021